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Guido Westerwelle beim Besuch der Smolensk-Ausstellung vor dem Präsidentenpalast in Warschau

Foto: epa/Bartlomiej Zborowski

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Pilot Arkadiusz Protasiuk auf einem undatierten Archivbild. Beim Absturz war er 35 Jahre alt.

Foto: epa/Polish Air Force

Warschau  - Die Flugschreiber der polnischen Präsidentenmaschine, die am 10. April bei Smolensk verunglückte, geben offenbar doch Hinweise auf eine Einflussnahme auf die Piloten. Darüber berichteten unabhängig voneinander die Zeitung "Gazeta Wyborcza" und der Fernsehsender TVN24. Die Maschine sollte trotz miserabler Sichtverhältnisse in Smolensk landen, bisher wurde von einem Pilotenfehler ausgegangen. Bei dem Unglück starben neben Präsident Lech Kaczynski alle 95 weiteren Passagiere.

"Wenn wir nicht landen, dann bringen sie mich um"

"Wenn wir nicht in Smolensk landen, gibt es Unannehmlichkeiten", soll ein nicht identifiziertes Mitglied des Pilotenteams etwa 25 Minuten vor dem Landeanflug gesagt haben, berichtete die "Gazeta Wyborcza". Zu diesem Zeitpunkt hätten sich keine fremden Personen im Cockpit befunden, so die Zeitung. TVN24 zitiert den Flugkapitän Arkadiusz Protasiuk, der in der Minute vor dem Unglück den Satz gesagt haben soll: "Wenn wir nicht landen, dann bringen sie mich um." Als Variante, die wegen der akustischen Qualität nicht auszuschließen ist, gibt TVN24 an: "Wenn ich nicht lande, dann bringt er mich um."

Die beiden Zitate stützen - wenn sie korrekt wiedergegeben wurden - die These, dass die Piloten unter Druck gesetzt wurden, die Landung unter allen Umständen zu versuchen. Eine solche Anweisung könnte von Präsident Lech Kaczynski oder dem Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte gekommen sein, der sich ebenfalls an Bord befand. Einen einzigen Hinweis auf Einflussnahme gab es schon in den bisher entschlüsselten Aussagen aus dem Flugschreiber: Mariusz Kazan, der Direktor des diplomatischen Protokolls, sagte den Piloten 15 Minuten vor dem Landeversuch: "Es gibt noch keine Entscheidung des Präsidenten, was wir weiter machen."

Kaczynski beschimpfte Piloten

Die "Gazeta Wyborcza" erinnert in diesem Zusammenhang an einen Flug von Lech Kaczynski vor zwei Jahren. Damals verlangte er vom Piloten eine außerplanmäßige Landung in Georgien, obwohl als Flugziel Aserbaidschan angegeben war. Als der Pilot sich weigerte, soll der Präsident ihn als Feigling beschimpft und ihm mit Konsequenzen gedroht haben.

Die Flugschreiber der Unglücksmaschine vom 10. April waren zunächst in Moskau ausgewertet worden. Dabei blieben viele Aussagen nicht entschlüsselt. Klar wurde jedoch, dass sich während des Fluges häufig Passagiere im Cockpit aufhielten und dass sich die Piloten über die schlechten Sichtverhältnisse am Zielflughafen im Klaren waren. Inzwischen wurden die Aufnahmen noch einmal in Polen analysiert. "Offiziell kenne ich den Inhalt der neu entschlüsselten Aufzeichnungen nicht und kann sie nicht kommentieren", erklärte Justizminister Krzysztof Kwiatkowski von der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) am Mittwoch.

Für die polnische Politik ist die Aufklärung der Unglücksursache von höchster Brisanz. Die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), aus der Lech Kaczynski stammte, weist immer wieder auf ein mögliches Versagen des russischen Flughafens hin. Vertreter der PO sprechen dagegen über eine mögliche Mitschuld des verstorbenen Präsidenten, der in der Königsgruft unter dem Dom auf dem Wawel-Hügel in Krakau beigesetzt wurde.

Die Präsidentenmaschine war unterwegs zu einer Gedenkfeier im russischen Katyn. Dort hatte der sowjetische Geheimdienst NKWD vor 70 Jahren mehrere Tausend polnische Soldaten und Zivilisten erschossen. (red/APA)